7.-10.Januar 2014
Der direkteste Weg vom Tilganga Hospital of Eyecare in Kathmandu nach Udayapr, dieser abgelegenen Region im Südosten Nepals, ist für unseren vollbeladenen Spital-Bus nicht machbar.Wir machen also zuerst eine Schlaufe nach Westen und ziehen via Chitwan nach Osten. Nach 14-stündiger Reise beschliessen Babu, unser Fahrer, und Dom, sein Copilot und zugleich auch unser Techniker, die letzten 23 Kilometer, die über besonders unwegsames Gelände führen, erst wieder bei Tagesanbruch in Angriff zu nehmen. Ein weiser Entscheid. Im dichten Morgennebel ist der Schotterweg teilweise kaum zu erkennen, doch auch die Durchquerung des Flusses gelingt dem routinierten Babu problemlos. Eineinhalb Stunden später erreichen wir dann gegen 8.30 Uhr unseren Zielort Beltar, wo man uns mit Blumengirlanden begrüsst. Ein herzlicher Empfang! Wir geniessen heisse Nudelsuppe, Samosas und hartgesottenene Eier.
Dann geht’s an die Arbeit. Die lokalen Volonteers, ältere Schüler, stehen schon bereit und unser Bus wird ausgeladen. Operationstische, Sterilisationsgeräte, Abdecktücher, Gasflaschen, Stromgenerator, Zelte, Matten, Küchenutensilien und Lebensmittel für unsere 16-köpfige Mannschaft gilt es nun rasch möglichst in die leer geräumten Schulzimmer zu bringen. Auf dem Schulgelände gruppieren sich Patienten und schauen uns gespannt zu. Einige haben eine 2-tägige Reise zu Fuss oder mit Wagen hinter sich und warten nun geduldig darauf untersucht zu werden.
Schwarze Plastikfolien werden vor die Fenster eines Klassenzimmers gehängt. Hier entsteht der Operationssaal. Unser Fahrer Babu und Ripun schrauben die Op-Tische zusammen, während Dom, der Techniker, den mitgebrachten Stromgenerator anschliesst. Im anliegenden Narkosezimmer sterilisieren unsere Operationsschwestern Sunita, Laxmi und Prattikcha bereits alle Abdecktücher und Instrumente während Mahesh das Narkosematerial vorbereitet.
Unter der Wandtafel des Mathematikzimmers schliesst der Koch die beiden Herdplatten an die Gasflaschen, vom Schreibpult steigt mir der Geruch von Curry und verschiedenen Masala-Gewürzmischungen in die Nase. Es ist jetzt kurz nach 11 Uhr. Nun scheinen sich die wartenden Patienten in Kolonnen vor einem Anmeldepult zu formieren. Dort werden ihre Personalien von den fröhlichen Schülerinnen aufgenommen. Voller Freude befolgen sie die vorgängigen Instruktionen sehr genau und leisten damit einen schönen Beitrag an den Ablauf. Immerhin werden sie in 2 Tagen über 1000 Registrierungen machen.
Am Stamm eines knorrigen Baumes im Schulhof hängt eine Tafel für den Sehtest, rechts und links davon säumen Sitzbänke das Geschehen. Danach drängen sich die Patienten ins 1. Untersuchungszimmer, wo ihnen ein Pflegeassistent in die Augen schaut und dabei feststellt, wer überhaupt am Grauen Star leidet. Im 2. Untersuchungszimmer wird bei den für eine Operation ermittelten Patienten das Auge für die einzusetzende Linse ausgemessen. Im Operationssaal werden in der Zwischenzeit nun die Mikroskope an die Tische geschraubt und Linsen, Augentropfen Sterilisationslösungen ausgepackt. Karma, unser Chefkoch, dämpft bereits den frischgerüsteten Blumenkohl, die Kartoffeln und Karotten an. Die Linsensuppe und der Reis sind bereits warm gestellt. Gegen 13.00h dürfen wir uns im Mathezimmer an einem herrlichen Buffet bedienen.
Es strömen immer mehr Patienten mit ihren Angehörigen aufs Schulgelände. Am Nachmittag nehmen Dr. Govinda, Dr. Sanjeev und Dr. Oscar, ein junger indonesischer Gastarzt am Tilganga Hospital in Kathmandu, die Arbeit auf. Die Pfleger und Operationsschwestern sorgen für einen nahtlosen Patientenfluss. Mein Job ist die elektronische Erfassung von Patientendaten und ich bin dabei gar nicht viel schneller als die Operateure! In 1.5 Tagen werden 225 Menschen am Katharakt operiert.
Ich bin wieder von Neuem beeindruckt über die Arbeit, die hier geleistet wird. Es ist ein Teamwork vom Feinsten. Jeder hat seinen Aufgabenbereich und hilft, wo es nötig wird. Denn jeder weiss, dass es nur zusammen geht und dass es nur dann möglich ist, in so kurzer Zeit so vielen Menschen zu helfen. Die Ärzte und das Pflegeteam lassen sich nicht aus der Ruhe bringen, die Pflege- und Narkoseassistenten arbeiten speditiv und nehmen sich dennoch Zeit für die Patienten. Es herrscht ein buntes Treiben und das bei guter Stimmung. Und Karma weiss, dass das leibliche Wohl die Crew bei Laune hält und er scheut dabei keine Mühe.
Viele Patienten bleiben über Nacht auf dem Gelände. Sie hüllen sich in ihre Decken und legen sich auf den kalten Steinboden des leeren Schulzimmers. Einige verbringen die Nacht am Lagerfeuer. Ich bin nicht traurig, dass man unsere Zelte in einem Zimmer aufgestellt hat. Die Temperaturen sinken nachts z.T. unter 5 Grad.
Frühmorgens werden alle operierten Patienten draussen auf Schulbänken versammelt und nachkontrolliert. Für mich ist das wohl der bewegendste Moment. Ich blicke in die verunsicherten Gesichter, die sich dann nach dem Entfernen der Augenklappe entspannen und im kühlen Morgennebel in ein warmes, dankbares Lächeln verwandeln. Ein Lächeln, das mir zeigt, wie viel diese Hilfe für sie bedeutet. Geschenktes Augenlicht – dank Ihnen liebe Spenderinnen und Spender – für viele ein unvollstellbarer Traum, der in Erfüllung geht. Nun können sie zu Hause oder auf dem Feld wieder ihrer Alltagsarbeit nachgehen und sich nützlich machen.
Und ich reiche diesen herzlichen Dank gerne an Sie alle weiter, die zu diesem erfolgreichen Augencamp beigetragen haben.